Bild Frauenrechte

05.03.2019Wir wollen die ganze Bäckerei!

Foto: Wolfgang Kumm / dpa

Anlässlich des internationalen Frauentags erklärt Kalkbreite-Präsidentin Ruth Gurny, was Feminismus mit Bäckereien zu tun hat und warum die Kalki ein gutes Backtriebmittel für eine geschlechtergerechte Gesellschaft ist.

Der 8. März steht vor der Tür, der internationale Frauentag. Aber Achtung: Der internationale Frauentag ist kein linker Muttertag! Also bitte keine Blumen, auch keine roten Rosen oder Nelken, und ganz sicher keine Pralinés!

Der internationale Frauentag ist ein Tag der gesellschaftspolitischen Forderungen und hat eine lange Geschichte: Die deutsche Frauenrechtlerin Clara Zetkin schlug 1910 anlässlich des zweiten Kongresses der Sozialistischen Internationalen in Kopenhagen vor, jährlich einen Internationalen Frauentag zu begehen. „Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“, forderte Zetkin. Diese Formulierung gefällt mir. Und deshalb gefällt mir auch der Slogan „Wir wollen kein Stück vom Kuchen – wir wollen die ganze Bäckerei“. Wir wollen die ganze Bäckerei, damit endlich für alle gleich viel und in gleicher Qualität gebacken wird. Oder weniger metaphorisch: Wir wollen eine Gesellschaft, die für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgt. Hier und weltweit. Da ist viel zu tun! Zur Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist es auch bei uns in der Schweiz bekanntlich noch ein weiter Weg. Diejenigen von uns, die einen Schweizer Pass haben, dürfen inzwischen an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen (na ja, wir Schweizer Frauen warteten europaweit am längsten…), aber bald 50 Jahre danach ist das Schweizer Parlament mit 33% Frauen im Nationalrat und 15% im Ständerat weit weg von einer Gleichverteilung. Frauen in Führungspositionen sind noch immer rar. Mit der Lohngleichheit sind wir noch nirgends. Dabei reicht es nicht, endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erreichen. Die Einkommenslücke der Frauen kommt wesentlich auch dadurch zustande, dass Frauen den Hauptteil der unbezahlten Arbeit leisten und deshalb ihr Erwerbsarbeitspensum reduzieren. Ihre Erwerbsarbeit leisten sie zum grössten Teil in den schlechter bezahlten „Frauenberufen“. In den Erwerbssektoren mit hoher Bruttowertschöpfung und hohen Löhnen sind sie jedoch stark untervertreten. Das führt zu schlechteren Sozialversicherungsleistungen und am Ende eines langen Arbeitslebens zu kleinen Renten.

Das alles ist eine Folge der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, die viele als von Natur aus gegeben betrachten: Den Frauen wird das emotional Fürsorgliche zugeschrieben, den Männern das Thema der instrumentellen Vernunft. Folglich sind dann die Frauen für die Pflege, die Fürsorge und den Haushalt zuständig, die Männer für das sogenannt Produktive, das mit Technologie und/oder Kapital verbunden ist.

Diese Arbeitsteilung müssen wir bekämpfen, wir müssen den Vorrang der so genannt produktiven Erwerbsarbeit vor der Fürsorgearbeit in Misskredit bringen. Das heisst aber auch, die Zuschreibung von „männlich“ und „weiblich“ überwinden: Frauen sind nicht einfach grundsätzlich, „von Natur aus“ beziehungsorientiert und Männer sind nicht einfach wettbewerbsorientiert. Die Tatsache, dass Frauen Kinder gebären können, bedeutet noch lange nicht, dass sie sozusagen aus „natürlichen“ Gründen für die Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen zuständig sind. Genau so wenig sollen Männer davon ausgeschlossen bleiben, sich diesen Aufgaben zuzuwenden. Wir brauchen eine Gesellschaftsordnung, die unabhängig von Geschlecht echte Wahlfreiheit ermöglicht: Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit muss kombinierbar sein ohne zu langfristigen Problemen in der Existenzsicherung zu führen. Darauf muss sich die Erwerbsarbeitswelt einstellen, das muss Normalfall werden.

Es geht aber noch weiter: Wie wichtig ist es denn eigentlich, eine „richtige“ Frau oder ein „echter“ Mann zu sein, wie viel an Überschneidungen und welche Zwischenräume werden zugelassen? Wie stark werden Abweichungen sanktioniert? Muss man denn so eindeutig Frau oder Mann sein? Erst wenn wir diese starre Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit aufbrechen, erst dann verliert Geschlecht seine Bedeutung als Unterscheidungsmerkmal und seine Funktion in der Zuweisung unterschiedlicher Lebenschancen und Lebenswege. Erst dann verliert auch die heterosexuelle Ehe und die daraus abgeleitete Kleinfamilie das kulturelle Monopol, und erst dann sind wir am Ende des Weges, der zu gehen ist.

Sind Genossenschaften wie die Kalkbreite „ganze Bäckereien“? Wahrscheinlich wäre das etwas zu viel verlangt, aber sie sind ein guter Anfang: Das Leben in der Kalki ermöglicht eine bessere und gerechtere Aufteilung der Erwerbsarbeit und der Care-Arbeit. Der Grosshaushalt in der Kalki spielt dabei ebenso eine Rolle wie die vielen Wohngemeinschaften, die ermöglichen, dass die Leute ihre je eigene und für sie stimmige Lebensform finden. Die Sans- Papiers Anlaufstelle tut das Mögliche, um den illegalisierten Hausarbeiterinnen Würde und Sicherheit zu geben und das Regenbogenhaus, das bald ins Zollhaus einziehen wird, stellt die bisherige rigide Geschlechtszuschreibung in Frage. Das alles sind wichtige Mosaiksteine auf dem Weg in eine geschlechtergerechte Gesellschaft.

An diesem 8. März wird mir wieder einmal bewusst, warum ich stolz darauf bin, Mitglied unserer Genossenschaft zu sein.

Text : Ruth Gurny