Zollgarten Visualisierung

03.11.2018«Projektskizze Zollgarten» – eine neue Brache mitten in Zürich

Am Mittwoch 31. Oktober 2018 präsentierte die Genossenschaft Kalkbreite ihre «Projektskizze Zollgarten», eine urbane Brache an der Zollstrasse in Zürich. Gesucht wird nun ein Kernteam an Freiwilligen, die mit initiativen Ideen und einer guten Portion Engagement diese Brache mitgestalten wollen.

Ursina Merkt gehört zum Projektteam des «Zollgartens» innerhalb der Genossenschaft Kalkbreite. Wir haben sie befragt:

Der «Zollgarten» kommt hinter dem Zürcher Hauptbahnhof zu liegen, direkt gegenüber der Europaallee. Wie kommt die Genossenschaft Kalkbreite zu «Brachland» an so exklusiver Lage?

Die SBB plante ursprünglich eine Veloüberführung über die Geleise als Verbindung zur Europaallee. Nachdem nun entschieden wurde, dass es sich beim sogenannten Negrellisteg um eine reine Fussgängerbrücke handeln soll, fällt die projektierte Velorampe weg und es eröffnet sich eine rund 700 m2 grosse freie Fläche, die für eine bauliche Nutzung zu schmal ist. Auf Anfrage ist die SBB bereit, das Stück Land für eine nicht-gewinnorientierte Nutzung der Genossenschaft Kalkbreite für zehn Jahre in Gebrauchsleihe zu überlassen. Mit der Option auf zweifache Verlängerung à je nochmal zehn Jahre.

Impliziert der Name «Zollgarten», dass es sich um den Garten des angrenzenden Genossenschaftsbaus Zollhaus handeln wird?

Nein. Die Brache steht allen offen. Anwohner*innen des Quartiers und interessierte Nutzer*innen aus der ganzen Stadt sollen das Gelände partizipativ erschliessen und betreiben. Die Genossenschaft Kalkbreite trifft auch keine gestalterischen und betrieblichen Entscheidungen vorweg.

Trotzdem habt ihr schon eine Projektskizze entworfen?

Dies hat hauptsächlich mit den eher komplexen Geländebedingungen nahe dem Gleisfeld und den angrenzenden Bauten zu tun. Es wäre für Laien zu schwierig, dies alles fachgerecht zu realisieren. Wir haben daher an ersten öffentlichen Workshops Nutzungsideen und mögliche Anspruchsgruppen evaluiert. Daraus ergaben sich einige Schwerpunkte, die wir in die Projektskizze aufgenommen haben – zum Beispiel wurden Grünflächen, Kulturangebote oder ein Markt gewünscht. Die Projektskizze wurde nun soweit ausgearbeitet, dass nun Bewilligungen und bauliche Abklärungen eingeholt werden können.

Die Genossenschaft unterstützt die Nutzer*innen der Brache bei den Verhandlungen mit den Behörden und hält ihnen quasi «den Rücken frei»?

Nicht ganz. Die Genossenschaft hilf ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, welches von Nutzer*innen angeeignet werden kann. Ein Kernteam aus Nutzer*innen soll einen Verein gründen und die Verantwortung für die Aktivitäten auf der Brache übernehmen. Bei der Realisierung ist die Genossenschaft unterstützend dabei. Die von uns ausgearbeitete Projektskizze enthält alle Ideen aus den bisherigen Workshops und zeigt den Behörden die «Bandbreite des Wünschbaren» auf.

Wo siehst Du die grossen Herausforderungen bei der Erschliessung der Brache?

Es braucht auf jeden Fall eine Art von Grundinfrastruktur – z.B. Strom und Wasser, öffentliche WC Anlagen. Ausserdem braucht es, da der Garten leicht erhöht ist, eine Absturzsicherungen auf Strassenseite, eine Hangsicherung z.B. mit Sträuchern sowie eine Abgrenzung zu den Geleisen. Auch braucht es eine Zufahrt für Anlieferungen oder Rollstuhlfahrer*innen. Möglicherweise enthält die Brache noch Altlasten, die durch Aufschütten von Humus saniert werden könnten.  Eine andere Lösung könnte auch ein Kiesgarten sein. Solche Entscheidungen überlassen wir nun dem Verein künftiger Nutzer*innen. Im Sinne einer fortlaufenden Aneignung und einer niederschwelligen Nutzung scheint es sinnvoll, das Gelände möglichst wenig zu verändern.

Worin unterscheidet sich das Projekt «Zollgarten» von anderen Brachen, wie z.B. der Stadionbrache im stillgelegten Hardturmstadion?

Bei der Stadionbrache wurde ein Gebrauchsleihvertrag mit der Stadt Zürich abgeschlossen. Auch dort wurde ein Verein gegründet. Der Vorstand arbeitete die Rahmenbedingungen aus, dann kamen die Projekte nach und nach dazu. Es gab in dem Sinn keine abgeschlossene Aufbauphase. Die Brache konnte langsam wachsen. Im Gegensatz zur Stadionbrache muss beim «Zollgarten» vielleicht etwas mehr im Vorfeld definiert werden, da sich das Gelände mitten im Zentrum befindet und es dadurch schneller und wahrscheinlich intensiver von Menschen angeeignet wird. Trotzdem möchten wir den Raum so undefiniert wie möglich lassen.

Nun sucht ihr ein Kernteam für die Vereinsgründung. Was ist dabei wichtig?

Es wird ein Kernteam von 5-7 Personen gesucht, die sich im besten Fall für ca. drei Jahre committen. Wer sich für dieses Engagement interessiert, sollte kommunikativ und offen sein. Konsensbereitschaft ist in der Projektierungsphase sehr wichtig, weil es darum geht eine gemeinsame Vision auszuarbeiten. Es braucht viel Herzblut, Durchhaltewillen und eine grosse Lust anzupacken, um ein solches Projekt auf die Beine zu stellen.

Wo seht ihr die Grenzen des Machbaren?

Im Moment sehen wir mehr Machbares als Grenzen. Es kam z.B. die Idee, einen Gemüse- und Spezialitätenmarkt wie in Oerlikon zu organisieren, bei dem wöchentlich die Strasse gesperrt wird. Das Beispiel zeigt – der Raum «Zollgarten» kann auch grösser gedacht werden, sofern die nötigen Strassenbewilligungen eingeholt werden können. Es gilt also, über Grenzen hinaus zu denken und sich die Brache an der Zollstrasse im partizipativen Prozess anzueignen.

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Was bisher geschah:

Auf der Nordseite des Gleisfelds am Hauptbahnhof Zürich, direkt neben dem projektierten Wohn- und Gewerbebau Zollhaus, gibt es eine letzte Brache von rund 700 m2, die sich nicht zum bebauen eignet, da sie zu klein ist. Die SBB als Grundstückbesitzerin hat dieses schmale Stück Land der Genossenschaft Kalkbreite in Gebrauchsleihe abgetreten, um für das Quartier einen geöffneten Raum bereitzustellen. Im Mai und Juni 2018 hat die Genossenschaft dafür an zwei Infoveranstaltung Ideen und Wünsche von Interessierten Nutzer*innen gesammelt und in Zusammenarbeit mit einem Planerteam von Rombo GmbH in eine «Projektskizze Zollgarten» gegossen, die alle gegebenen Projekt- und Geländebedingungen beinhaltet. Die Brache soll von Anwohner*innen und interessierten Nutzer*innen geformt und gewandelt werden.

Alle Infos zum Zollgarten

Text: Aline Diggelmann