Innenhof der Genossenschaft Kalkbreite

26.02.2019Perspektiven des Wohnens

Sieben Gäste aus der – im weitesten Sinne – Immobilien- und Liegenschaftsbranche Schweiz präsentierten letzten Donnerstagabend im Kosmos ihre Ansichten zum Thema «Wohnen». Organisiert wurde der Abend von Tsüri.ch, die einen Fokus-Monat zum Thema durchführen.

Wo wohnst du? Diese Frage hat nicht zuletzt im urbanen Raum der Stadt Zürich eine enorme Bedeutung. Wohnen müssen alle, es ist alternativlos. Die Wohnart und die Wohnpreise bieten im städtischen Umfeld unendlich Raum für Diskussionen. Nina Schneider, Co-Projektleiterin für Nutzung und Partizipation beim Wohn- und Gewerbebau Zollhaus, räumte bei dieser Gelegenheit mit ein paar Vorurteilen auf:

Genossenschaften haben, anders als mancher vielleicht denken mag, keinen öffentlichen Auftrag und sind in diesem Sinne der Öffentlichkeit zu nichts verpflichtet. Eine Genossenschaft verpflichtet sich selber zur Gemeinnützigkeit und den damit einhergehenden Zielen und Visionen. Bei der Genossenschaft Kalkbreite sind dies preiswerter Wohn- und Gewerberaum, das Verbinden von Wohnen, Arbeiten und Kultur, eine soziale Durchmischung, gemeinschaftliche Einrichtungen sowie eine soziale, finanzielle und ökologische Nachhaltigkeit (siehe Statuten). Und nicht zuletzt möchte die Genossenschaft Kalkbreite aufgrund tatsächlich existierender Bedürfnisse Neues ausprobieren und mutige Wege gehen. Als Beispiel nennt Nina Schneider die WGs im Wohn- und Gewerbebau Kalkbreite: Das Wohnungsprogramm umfasste 1 bis 9,5 Zimmer Wohnungen. In der Vermietung meldeten sich aber grössere Gruppen mit 12 und 17 Personen. Gewohnt auf Bedürfnisse einzugehen, suchte das Planerteam nach Lösungen die schon fast fertig gebauten Wohnungen zusammen zu legen. So entstanden an der Kalkbreite eine WG mit 17 Zimmern und eine Mehrfamilienwohnung für vier Parteien.

Nachhaltiges städtisches «Wohnen» erfordere heute mehr, als die eigenen vier Wände. Deshalb hat die Genossenschaft Kalkbreite den privaten Wohnraum pro Person reduziert und ein grosses Angebot an Gemeinschaftsräumen und gemeinschaftlich genutzte Aussenräumen realisiert. Doch neue Wege zu gehen, sei gar nicht so einfach, stellt Nina Schneider fest. Insbesondere die baurechtlichen Verordnungen und Gesetze stellen enge Korsette dar und machen das Ausprobieren neuer Wohnformen sehr schwierig. Zum Beispiel wollten die Projektleiter*innen des Neubaus Zollhaus, den die Genossenschaft hinter dem Hauptbahnhof Zürich erstellt, einen liegenschaftsinternen Wasserkreislauf mit Kompost-WCs realisieren, der Fäkalien wie Urin und Kot in den natürlichen Energiekreislauf zurückgeführt. Leider war das aufgrund Gewässerschutzverordnungen nicht umsetzbar, obschon in der Stadt Genf ein vergleichbares Projekt bereits bewilligt und in Betrieb genommen wurde.

Insgesamt sei es aufgrund hoher Auflagen an Expertisen, Baurichtlinien und Schutzmassnahmen selbst für gutgewillte Genossenschaften sehr schwierig geworden, in der von Bodenspekulation gepeinigten Stadt Zürich, noch bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum zu schaffen. Aber das wichtigste für einen lebendigen Wohn- und Siedlungsraum seien die Bewohner*innen selbst. Ihr Wille, eine Gemeinschaft zu bilden, Beziehungen zu pflegen und alternative Wohnformen zu leben.

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Text: Aline Diggelmann