31.05.2019Nachtspaziergang Zollstrasse

Das Zollhaus entsteht in direkter Nachbarschaft zum Langstrassenquartier, wo besonders an den Wochenenden das Zürcher Nachtleben zur Höchstform aufläuft. Und da wir der Meinung sind, dass zu einer guten Nachbarschaft auch gehört, dass man sich interessiert und informiert, in welche Gegend Stadt man eigentlich zieht, haben wir am letzten Samstag einen Nachtspaziergang für Interessierte und Bewerber*innen des Zollhauses organisiert.

Im Spritzwerk, dem Pop-up-Restaurant der Ambossrampe, begrüsst Alex Bücheli von der Bar & Club Kommission Zürich die rund 30 Teilnehmer*innen. Die Bar & Club Kommission Zürich ist «die Lobby» des Zürcher Nachtlebens und hat geschafft, was vorher Jahrzehnte lang nicht möglich schien: Kultur- und Nachtgastronomieunternehmer setzen sich heute gemeinsam für ihre Anliegen ein und vertreten diese gegenüber der Politik, Wirtschaft und der breiten Öffentlichkeit. Als grösstes Problem nennt Alex die Thematik des Lärms: Denn wenn die einen wohnen, wo die anderen partymachen führe das unweigerlich zu Lärmkonflikten. Deshalb sei die Vermittlung zwischen der Szene des Nachtlebens und der Anwohnerschaft so wichtig. Nur durch Kommunikation könne gegenseitige Akzeptanz geschaffen werden und wer sich gehört und ernst genommen fühlt, zeige meist auch mehr Toleranz. Es findet regelmässig ein «Tag der offenen Bar und Club Tür» statt, zu dem alle – Anwohner*innen, Eltern, Politiker*innen und Partygänger*innen – eingeladen sind.

Das Zürcher Nachtleben habe eine lange Geschichte und sei legendär, erzählt Alex – mit 666 Nachtbewilligungen (davon 150 Club und Bars), also der Bewilligung auch nach offizieller Nachtruhe noch offen zu haben, gehöre Zürich im Verhältnis zur Einwohnerschaft zu den Spitzenreiter*innen im internationalen Vergleich. Und die «Zürcher Technokultur» wurde 2017 gar als Teil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes anerkannt. Rund 80’000 – 100’000 Personen besuchen an einem Freitag- oder Samstagabend die Zürcher Bar-, Club- und Gastroszene, womit dem Sektor auch ein ordentliches Wirtschaftsvolumen zugesprochen werden kann: Bei einem durchschnittlichen Budget von 50 CHF pro Person und Abend macht das ein Umsatz von fünf Millionen Schweizerfranken! Nicht zu vergessen, dass dahinter ein beachtlicher Arbeitsmarkt steckt, der mitunter viele Studentenjobs generiert.

Der Spaziergang führt uns entlang der Zollstrasse, vorbei am legendären, ehemaligen Wohlgroth-Areal, wo in den 90ern eine der grössten Hausbesetzungen in der Schweiz überhaupt stattfand. Eine Ecke weiter, an der Klingenstrasse, erinnert Blaulicht in den Hauseingängen noch an die «Platzspitz-Zeiten» in den späten 80er und frühen 90er Jahren. Damals versetzte eine ausufernde Präsenz von Drogensüchtigen das Quartier in einen Ausnahmezustand, mit welcher Politik, Öffentlichkeit und Polizei komplett überfordert waren. Als Konsequenz davon setzte sich in Zürich später eine liberalere Drogenpolitik durch.
Hinter dem Museum für Gestaltung, auf der gegenüberliegenden Seite der Limmat befindet sich das Jugendkulturhaus Dynamo, ehemaliges Drahtschmiedli. Hier verkehre eher das jüngere Publikum, also die 16 bis 18 Jährigen. «Und alle sind froh, diese versorgt zu wissen», sagt Alex lachend. Denn Junge seien wenig lukrativ und sehr Security-intensiv.
Wir gehen weiter Richtung Limmatplatz, wo das X-Tra in Bauhaus-Architektur der benachbarten Kirche den Rang abläuft. Aber nicht nur architektonisch ist das X-Tra imposant: Mit einem Fassungsvermögen von 2’000 Personen ist es das grösste innenstädtische Partylokal überhaupt. «Und wenn der Platz nicht reicht, mieten sie noch den Kirchgemeindesaal dazu – als Darkroom für Gay-Partys zum Beispiel», witzelt Alex.

Der Spaziergang endet in der X-Tra Bar, von wo Alex später noch auf eine Clubtour einlädt– aber was da geschah, bleibt unter uns!

 

Text: Aline Diggelmann