24.01.2019Die beste aller möglichen Welten?

Am 22. Januar 2019 war Christoph Faulhaber, der 2010 mit seinem Projekt «Genossenschaften» den Kunst & Bau Wettbewerb für den Wohn- und Gewerbebau Kalkbreite gewonnen hatte, mit einer Art Werkschau zu Gast. Er las aus der Publikation «A Golden Age», die sein Schaffen zusammenfasst und zeigte Filmausschnitte aus seinen bisher produzierten Filmen. Christoph Faulhaber gewährte so einen vertieften Einblick in sein künstlerisches Schaffen.

Christoph Faulhaber startet mit einer Textpassage über Voltaire und Leibniz, die im 17. Jahrhundert diskutierten, ob das „die beste aller Welten ist“ und wenn ja, „wie sind dann die anderen? Leibniz war der Überzeugung, dass Gott nicht das vollkommene Wesen wäre, wenn er nicht die beste aller Welten für die Menschen erschaffen hätte. Voltaire hingegen bezweifelt in seinem Roman „Candide oder der Optimismus“ als einer der ersten diese Sichtweise und lässt seinen Protagonisten immer wieder die Schrecken der Welt erleben, so dass immer mehr ins Zentrum rückt, ob das wirklich „die beste aller Welten“ sei.

Faulhaber überträgt diesen philosophischen Streit auf sein Schaffen und klärt auf über die Anfänge. Er wuchs Mitte der 90er-Jahre in ein künstlerisch „goldenes“ – oder „rosafarbenes“, wie es der Künstler selber bezeichnet – Zeitalter hinein, in dem Kunst vor keinen Themen mehr halten machen musste – und doch stolperte er, ähnlich Candide in Voltaires Roman, in die eine oder andere missliche Lage hinein. So ist es Teil seiner Kunst, eine Reaktion des Systems zu provozieren. Dies wird etwa deutlich, wenn er in feinstes Burberry-Karo gekleidet vor den Burberry-Stores in Deutschland bettelt und so eine Reaktion des Ladenbetreibers auf seine Aktion provoziert, bis die Polizei kommt. Oder auch als angeblicher „Sicherheitsbeamter für einen privaten Sicherheitsdienst“, der die Be- und Überwachung der US-Botschaft in Berlin filmt und fotografiert. Es dauert nicht lange, bis die tatsächlichen Sicherheitsleute auf ihn aufmerksam werden und somit wieder das System auf ihn reagiert. In einem ironischen Dialog mit den Sicherheitsleuten wird deutlich, wie absurd die Situation ist. Faulhaber erscheint unauffällig als Person im öffentlichen Raum. Sobald er sich aber in Position gebracht hat, beginnt er zu stören und zwingt das System, auf ihn zu reagieren. Dabei spielt er mit dem Publikum, dem manchmal nicht bewusst ist, dass es Publikum ist. Faulhabers Kunst ist anpassungsfähig, entsteht aber teilweise aus dem Risiko selber. Zunächst produziert er Waren, für die kein Markt besteht, erst allmählich entsteht der Markt mit dem „Kunst“-Produkt zusammen.

Ein Satz aus Faulhaber’s Film „Jedes Bild ist ein leeres Bild“ bringt den Sinn seiner Kunst auf den Punkt: „Durch Selbstbespiegelung gelähmt, ertrinken wir in der Masslosigkeit der Oberfläche. Wir brauchen eine neue Form der Erfahrung!“

 

Am Freitag, 25. Januar 2019 findet eine weitere Veranstaltung mit Christoph Faulhaber statt. An diesem Abend stellt er den Stand seines Projektes „Genossenschaften“ vor.

Siehe: https://www.kalkbreite.net/events/ein-abend-mit-kuenstler-christoph-faulhaber/

 

Text: Valérie Clapasson